Liebe SEAlosophinnen, liebe SEAlosophen,
einige von euch erinnern sich vielleicht noch an das Social-Media-Duell zwischen einem Seahawks-Fan und dem Twitter-Admin des US-Open-Accounts vor ein paar Wochen. Der Fan sprach in einer Antwort unter einem Tweet von ESPN SportsCenter dem Tennissport die Relevanz ab. Der Konter des Tennis-Accounts saß:
Wide Receiver DK Metcalf sprang seinem Quarterback Drew Lock damals zur Seite und die US Open gaben – wahrscheinlich mit Blick auf seinen Körperfettanteil – nach.
Aber warum diese Geschichte noch einmal rauskramen? Weil sie schön zeigt, wie DK Metcalf sich auch nach dem Abgang von Russell Wilson, seinem Kumpel und Bruder, noch mit den Seahawks identifiziert, Commitment zeigt. Wie er seinem neuen Quarterback den Rücken stärkt und trotz des offensichtlichen Downgrades von Wilson auf Lock/Smith nicht verzagt.
Jetzt hat DK Metcalf seinen neuen Vertrag bei den Seahawks unterschrieben und sich damit bis 2025 an die Franchise gebunden. Nur? Nur drei weitere Jahre nach dem nun anbrechenden vierten Jahr des Rookie-Deals? Nur der am sechstbesten bezahlte Wide Receiver? Sieht so langfristiges Commitment von beiden Seiten aus?
An dieser Stelle möchte ich ein paar Gedanken aufschreiben, die mir in den vergangenen Tagen kamen und die ein ebenfalls den Seahawks zugeneigter Kollege mit mir geteilt hat. Denn in diesem Vertrag scheint viel Kalkül zu stecken und wenig Rekordsummen-Gesprächsstoff (der mich sowieso nie wirklich interessiert hat).
Warum der Vertrag gut für die Seahawks ist:
DK Metcalf hat gezeigt, was viele ihm nicht zutrauten. Er wurde nach dem Genickbruch, der seine College-Karriere beendete und einigen Ärzten zufolge auch alle Hoffnungen auf eine NFL-Karriere zunichte machen sollte, zu einem beständigen Profi. Er machte 52 von 52 Spielen für die Seahawks, fehlte kein einziges Mal verletzt, spielte 2021 trotz Fußverletzung durch. Er sammelte im Schnitt 1.000 Receiving Yards und 10 Touchdowns pro Saison. Solch ein robuster und leistungsstarker Spieler tut jedem Team gut. Zumal er bei der jüngeren Generation längst das Gesicht der Franchise ist und damit übers Sportliche hinaus äußerst kostbar.
Die Seahawks können durch den Dreijahresvertrag weiter ruhig schlafen, denn sie haben sich nicht für vier oder fünf weitere Jahre an einen Spieler gebunden, der sich mit physischer Spielweise aufreibt und seinen Körper als Waffe einsetzt. Wo Tyler Lockett in den vergangenen Jahren stets clever zu Boden sank oder ins Seitenaus lief, suchte DK Metcalf den Kontakt. Wie einst Thomas Rawls. Oder der gerade erst aus gesundheitlichen Gründen zurückgetretene Chris Carson. Oder der legendäre Kam Chancellor auf der anderen Seite des Balls.
Die Seahawks haben schon allzu oft erlebt, wie Leistungsträger, in die sie viele Hoffnungen setzten, plötzlich diese Hoffnungen nicht mehr erfüllen konnten, weil sie körperlich den Zenit überschritten hatten – in oft noch recht jungem Profisportler-Alter. Das liegt irgendwo in der Natur dieses gewalttätigen Sports. Aber man kann dieses Risiko auch mit einkalkulieren.
Sollte es also Metcalf bei Vertragsende mit dann 28 Jahren ähnlich gehen wie zuvor Chancellor, Rawls und Carson, dann würden sich die Verluste in Grenzen halten. Sollte Metcalf aber auch Ende 2025 noch halbwegs unversehrt dastehen, stünde einem neuen Vertrag nichts im Weg.
Warum der Vertrag gut für DK Metcalf ist:
Aber auch DK Metcalf und sein Agent werden sich bei der Verlängerung um drei Jahre etwas gedacht haben. Schließlich ist in Seattle eine neue Zeitrechnung angebrochen, der der Wide Receiver für Stand jetzt noch vier Jahre angehören wird.
Im ersten Jahr wird Metcalf Pässe von Geno Smith oder Drew Lock fangen – Ausgang ungewiss, Titelchancen realistisch gesehen eher so semi bis nicht vorhanden. Für ein Jahr macht man das als absoluter Leistungsträger gerne mit.
Danach, also 2023, könnte ein vielversprechender Rookie zum neuen Quarterback werden und Metcalf mit Bällen versorgen. Dem sollte man ein bis zwei Jahre geben, um herauszufinden, ob er der erhoffte Franchise-Spielmacher ist. Danach, im letzten Vertragsjahr 2025, kämen die Seahawks recht einfach raus aus dem Kontrakt und Metcalf könnte sich einen Tapetenwechsel per Trade wünschen – falls alle Quarterback-Planungen scheitern.
Stichwort Commitment (völlig ohne Wertung): Metcalf verpflichtet sich also im Grunde genau so lange an seinem Wunsch-Spielort, bis er ganz sicher weiß, ob Seattle einen würdigen Wilson-Nachfolger gefunden hat. Das ist sein gutes Recht.
Ausblick:
Bereits im letzten Newsletter (uff, wie lange ist das schon her?!) habe ich mir mehr 50:50-Bälle für DK Metcalf gewünscht und weniger Zurückhaltung bei Pässen in seine Richtung. Präziser wäre: Metcalf soll nicht nur dann bedient werden, wenn er seinem Gegenspieler schon drei Meter abgenommen hat und ungedeckt auf den Ball wartet, sondern auch in umkämpfter Position. Der Wide Receiver kann seine Big-Play-Fähigkeiten nur ausspielen, wenn er die Chance bekommt. Er wird Duelle gewinnen, er wird Duelle verlieren. Bei Metcalf halte ich dieses Risiko für vertretbar, weil ich glaube, dass er bei hohem Tempo und tiefem Laufweg öfter gewinnt als verliert.
Wer dabei sein Quarterback ist, ist sekundär.
Mit Russell Wilson als Passgeber hatte Metcalf 2021 bei 108 Targets 58 Catches für 716 Yards und acht Touchdowns in 14 Spielen, also im Schnitt 4,1 Receptions pro Spiel, 7,7 Targets pro Spiel, 51 Yards pro Spiel, 12,3 Yards pro Catch und 0,6 Touchdowns pro Spiel.
Mit Geno Smith waren es 2021 bei 21 Targets 17 Catches für 251 Yards und vier Touchdowns in vier Spielen, also im Schnitt 4,3 Receptions pro Spiel, 5,3 Targets pro Spiel, 62,8 Yards pro Spiel, 14,8 Yards pro Catch und ein Touchdown pro Spiel.
Ja, die Stichprobengröße mit Smith ist klein und oberflächlich, aber sie deutet zumindest an, dass Metcalf bislang mit dem Seahawks-Backup und möglicherweise zukünftigen Starter nicht weniger produktiv war als mit Wilson. Im Gegenteil: Er machte aus weniger Anspielen mehr Catches, Yards und Touchdowns – vielleicht durch die Taktik bedingt. Vielleicht, weil Smith ihm in 50:50-Situationen mehr vertraute und dafür belohnt wurde. Vielleicht aber auch bedingt durch die Tatsache, dass Smith eher die Feldmitte mit Kurzpässen bediente als der kleinere Wilson und so Metcalf leichter ins Spiel brachte. Vielleicht, weil Wilson den ersten Moment des Passes auf seinen Receiver öfter mal verpasste – und den Wurf auf ihn im zweiten, weniger geeigneten Moment erzwang.
Die Chemie zwischen Geno Smith und DK Metcalf jedenfalls schien zu stimmen in der Saison 2021. Vielleicht stimmt das uns ein bisschen positiv für 2022.
SEAlosophische Grüße
Max